Studium: Technische Physik - Erfahrungen gesucht

Hallo.

Ich bin gerade mitten in der Matura und interessiere mich an einem Studium an der TU Wien. Hab zwar noch etwas Zeit (Zivildienst), trotzdem möchte ich mich schon mal informieren =)

Ich schließe gerade die HTL Dornbirn - Wirtschaftsingenieur mit Schwerpunkt Betriebsinformatik ab.
Mich interessiert sehr viel technisches und möchte alles möglichst genau wissen wie es funktioniert :smiley:

Hab mir auch schon überlegt Physik zu studieren - oder eben technische Physik oder doch ein Ingenieursstudium.

Leider finde ich auf der Homepage nur sehr wenige Informationen um mir konkret ein Bild zu machen.

Nun ein paar Frage welche ihr mir vielleicht beantworten könntet:

  1. Was unterscheidet die technische Physik der TU zur Physik welche es an der Uni Wien gibt?
  2. Wie Praxisbezogen sind die Anwendungen welche bei der technischen Physik gemacht werden?
  3. Was für Beispiele werden da gemacht?
  4. Wie sieht es mit dem Praktikum aus? Wie lange geht es? vielleicht ein paar Beispiele was da gemacht werden kann. Ist es leicht eine Praktikumsstelle zu finden?
  5. Wie gefällt dir/euch das Studium? Was ist gut, was ist weniger gut?

Vielen Dank

Liebe Grüße
ch820

Es ist immer schwer, jemanden zu finden, der zu diesem Thema kompetent antworten kann, weil die meisten Leute nur eine der beiden Alternativen gut kennen. Außerdem haben sich einige Dinge durch die relativ neue Umstellung auf Bachelor/Master geändert (früher war zB einer der bedeutenden Unterschiede, dass das Studium an der TU drei Abschnitte hatte vs zwei an der Uni Wien, was beihilfentechnisch Unterschiede machte). Die TU selbst behauptet:

Unterschiede ergeben sich daraus, dass in der Technischen Physik der technische Aspekt - also die praktische Anwendbarkeit - stärker betont wird. Studierende an der TU Wien haben mehr Labor- und Übungs-Lehrveranstaltungen mit Kleingruppen.

Oh ja, man hat verbringt ziemlich viel Zeit mit Übungen und Labors, das stimmt, inwieweit das an der Uni anders ist kann ich aber auch nicht sagen. „Zu meiner Zeit“ (2005 angefangen) hatte die TU auch den Ruf, einen härteren Einstieg zu haben. Hier ist noch ein Vergleich von unserer Fachschaft.

Das hängt wohl hauptsächlich davon ab, was du unter „praxisbezogen“ verstehst. Man lernt hauptsächlich Mathematik und physikalische Modelle, und im Pflichtprogramm kommt die Technik bis auf ein paar eher traurige Vorlesungen zum Thema Messverfahren eigentlich gar nicht vor. Mehr als 20% des Studiums sind aber Wahlfächer, und da kann man sich dann aussuchen, was man macht. Es gibt da ein relativ breites Spektrum von ziemlich angewandten Sachen bis hin zu theoretischer Physik, die garantiert noch ein paar Jahrzehnte nichts mit Technik zu tun haben wird.

Die Praxis, auf die man hin ausgebildet wird, ist halt eher die Praxis eines akademischen Physikers (eh klar, das sind halt auch die Leute, die einen unterrichten). Wenn man dann fertig ist gibt es außer „weiter Physik studieren“ auch keinen so klaren Karrierepfad, man muss da üblicherweise flexibel sein.

Es ist eigentlich immer alles online, und dieses Forum ist ohnehin voll mit Diskussionen zu Übungsaufgaben, wenn du dich also einmal ein bisschen durch die Sachen des ersten Semesters klickst solltest du einen guten Überblick über die Dinge kriegen, die einen so erwarten. Lass’ dich halt nicht entmutigen, wenn du dich nicht auskennst, deswegen sollst du ja auch studieren :slight_smile:

Ein Praktikum wie ich es von der HTL kannte (also eine Verpflichtung, irgendwo extern zu arbeiten) gibt es in diesem Studium nicht. Es gibt Laborpraktika, die sind aber auch nur eine Lehrveranstaltung wie jede andere, und es war bisher AFAIK noch nie ein Problem, einen Laborplatz zu kriegen, wenn man das Labor machen wollte. In so einem Labor steht man üblicherweise einen Nachmittag pro Woche, macht ein paar Messungen an einem großteils voraufgebauten Experiment und beantwortet ein paar Fragen dazu. Anschließend schreibt man bis zum nächsten Mal ein Laborprotokoll, das auch bewertet wird (findest du auch massenhaft hier im Forum).

Ich hab’s schön und lehrreich gefunden, vor allem war die Atmosphäre immer recht familiär (was wir wohl auch zu einem großen Teil der unermüdlichen Arbeit der Fachschaft Physik verdanken), die Betreuungsverhältnisse sind ziemlich phänomenal (ich betreue zB grade eine Übung mit ca 10 regelmäßigen Teilnehmern in meiner Gruppe, da kann man schon relativ gut diskutieren und auf die Fragen einzelner Teilnehmer eingehen, außerdem kann man wirklich so gut wie immer in den Lift steigen, in eins der Institute spazieren und seine Probleme mit den Professoren diskutieren). Weniger gut? Zumindest der alte Studienplan war ein bisschen ambitioniert ausgelegt, so dass man sich in den ersten sechs Semestern wirklich ordentlich reinhängen musste, um das Ganze in der Regelstudienzeit zu erledigen. Für den Bachelor wurde da glaube ich einiges entschärft, aber einfach ist es wohl trotzdem noch nicht. Ich habe auch noch mit der Vorstellung angefangen, dass die vorlesungsfreien Zeiten als Ferien ausgelegt seien, wurde aber schon am Ende des ersten Semesters eines Besseren belehrt („so, und jetzt lernen Sie einmal schön den ganzen Jänner, im Februar machen wir den ersten Prüfungstermin“).

Das habe ich an meiner HTL gehabt, und jetzt an meiner FH, auf der TU gab es das meines Erachtens nicht.

„Familiär“ ist natürlich ein schwammiges Wort. Also, ein bisserl konkreter:

  • Am ersten Tag des Studiums gabs ein Erstsemstrigentutorium, wo man mehr oder weniger zwangsläufig ein paar Mitstudenten näher kennengelernt hat. Ich bin ja nicht der offenste aller Menschen, aber irgendeinen Kontaktpunkt findet man da schon - in meinem Fall hab ich zB ein paar Leute kennengelernt, die die selbe HTL wie ich gemacht hatten.
  • Rund um die Kleingruppenübungen in Physik und die Fachschaftsräumlichkeiten gab es auch immer eine Community von Menschen, die gemeinsam entweder in der Fachschaft oder diversen Privathaushalten gelernt und gearbeitet haben.
  • Ich habe im ganzen Studium keinerlei Konkurrenzsituationen erlebt („wenn ich dem Kollegen jetzt helfe schade ich meinen eigenen Aussichten“), was ja auch nicht universell garantiert ist (Stichwort „curved grading“)

Gegenüber den Professoren war das Verhältnis am Anfang vielleicht ein bisschen distanziert, aber es ist mir nie passiert, dass sich jemand geweigert hätte, mir eine thematische Frage zu beantworten oder dabei nicht höflich und hilfreich gewesen wäre (und ich habe viel gefragt, und nicht immer sehr gescheite Dinge). Natürlich ist man als Erstsemestriger erst mal einer unter vielen, aber das gibt sich dann auch recht bald, und nach der ersten Spezialvorlesungen mit fünf Teilnehmern habe ich dann mit den Vortragenden auch schon eh über Gott, die Welt und den aktuellen Zustand von Kindern und/oder Scheidung geredet.

Das beschreibt so circa den Eindruck, den ich hatte. Seit 2005 sind die Anfängerzahlen zwar um gute 50% gestiegen und die Gesamtstudentenzahl um 20%, aber dass das jetzt deshalb ganz anders abläuft kann ich mir auch nicht vorstellen.

Mir hat mein Studium gut gefallen. Man muss sich aber darauf einstellen, dass man am Anfang viel Mathe hat. Mich hat das aber nicht gesört, im Gegenteil, ich habe erst dabei wirklich herausgefunden, wie faszinierend auch Mathematik ist.

Als angewandt würde ich unser Studium nicht bezeichnen. Aber ich glaube, wir lernen was man so braucht um sich in vielen Gebieten schnell zurecht finden zu können. Wenn es um die konkrete Anwendung von Wissen handelt, muss man aber selber schauen, dass man unter der Mathematik nicht die Physik verliert. Oft kommt man auch erst drauf, dass man etwas nicht ganz verstanden hat, wenn man es dann wirklich anwenden soll. Wir lernen auch nicht wie man z.B. ein transmissions-Elektronenmikroskop bedient, sondern wie es prinzipiell funktioniert. Um mit dem Ding aber wirlich arbeiten zu können, braucht man dann aber noch ein Weilchen. Stell dir aber vor, du arbeitest mit dem Gerät, es kommen skurrile Ergebnisse heraus - woran liegt das? Du wirst dann in deinen Unterlagen nirgendwo eine Liste finden, wo wie in einer Bedienungsanleitung steht was man bei wechlem Fehler machen soll. Du wirst aber vieles finden was du brauchst um dir selbst überlegen zu können woher die Ergebnisse kommen könnten. Beim Physik-Studium wird einem - so empfinde ich es - Wissen vermittelt, dass es einem ermöglicht Probleme zu analysieren und zu lösen.

Und falls du mit Praktikum die Projektarbeiten meinst: Die macht man (meist) an der TU in einem Instutut das man sich aussucht. Projetarbeiten zu bekommen ist kein Problem - unbezahlte Arbeitskraft :slight_smile:

Die sind aber wirlich gut um Erfahrungen in sehr geschützter Umgebung zu sammeln. Wer mag kann sich auch externe Projetarbeiten suchen, da muss man dann aber sicher stellen, dass es einem irgendwie angerechnet wird.